"Zukunft - nur mit uns!"

Foto: Dieter Schütz, www.pixelio.de
31.08.2005 | 

Geschlechtsspezifische Selbstbehauptung, Konfliktbewältigung, Interessenvertretung

Von Bettina Dettendorfer, erschienen in: Schriftenreihe Deutscher Bundesjugendring Nr. 42 (2005). Beispielhaft: Jugendverbände und Schule. Beiträge und Praxisbeispiele zur Kooperation von Jugendverbänden und Schule.Bestellung der Schriftenreihe beim Deutschen Bundesjugendring.

Träger des Projektes

Trägerin des Projektes ist die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein, die Bundesbildungsstätte der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken ist.

Inhalt des Projektes

Die Zeit des Erwachsenwerdens ist für Jugendliche eine Phase der Orientierung, der Suche und der Auseinandersetzung mit vorgegebenen Rollenerwartungen und eigenen Wünschen. Die Zielgruppe des Projektes, sozial benachteiligte, bildungsferne, ausgegrenzte Jugendliche aus Berlin und Brandenburg (Haupt- und GesamtschülerInnen im Alter von 14-18 Jahren), machen unterschiedliche Gewalt- und Ausgrenzungserfahrungen und sehen für sich oft wenig Perspektiven. Jugendliche mit Migrationshintergrund durchleben darüber hinaus nicht selten interkulturelle Konflikte. Die soziale Umgebung der teilnehmenden Jugendlichen bietet ihnen in der Regel wenig Raum, soziale und kommunikative Kompetenzen zu erwerben. Die Jugendlichen weisen ein geschlechtsrollenspezifisches Konflikt- und Konfliktlösungsverhalten auf und sind sehr oft von einer resignativen Haltung geprägt: Sie haben keine Partizipationsmöglichkeiten oder glauben, keine zu haben. Die Jugendlichen können im Rahmen des Projekts „Zukunft – nur mit uns!“ mehrmals in die Jugendbildungsstätte kommen, z.B. in einem Wochenseminar (über die Schule) oder Wochenendseminar (über ihren Jugendclub) und im Rahmen einer Ferienfahrt (privat). Dadurch erfahren sie eine intensive pädagogische Betreuung, die zu nachhaltigen Entwicklungsprozessen führt.

Ziele

Ziel der Seminare des dreijährigen Projektes „Zukunft – nur mit uns!“ ist die Befähigung der Jugendlichen, die an sie gestellten Anforderungen des gemeinsamen Miteinanders selbst zu bewältigen. Die Teilnehmenden erfahren durch partizipative, niedrigschwellige Angebote Möglichkeiten und Grenzen der Mitbestimmung und Eigenständigkeit. Die sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Jugendlichen werden gestärkt, um sie in ihrer eigenen selbstbestimmten Entscheidungsfindung und in individuellen Such- und Orientierungsprozessen zu unterstützen. Dabei konzentrieren wir uns auf die drei inhaltlichen Grundpfeiler: (geschlechtsspezifische) Selbstbehauptung, Konfliktbewältigung und Interessenvertretung. Bei der Selbstbehauptung verfolgen wir einen mädchen- bzw. jungenorientierten Ansatz. Eine Arbeit in geschlechtshomogene Kleingruppen schafft Freiräume bzw. auch "Schutzräume", sowohl für Mädchen als auch für Jungen, ohne Gesichtsverlust reden zu können. Dieser Raum schafft auch die Möglichkeit, alternative Verhaltensweisen zu erproben und sich mit seinen eigenen (stereotypen) Geschlechterrollenbildern auseinander zu setzen.

Ziel der Kooperation mit Schulen ist die Ergänzung der Arbeit von LehrerInnen, die gerade an sozialen Brennpunkten schon mit der Vermittlung der im Rahmenplan vorgesehenen Lehrinhalte an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geraten. Sie benötigen deshalb die Unterstützung außerschulischer Bildungsträger, wenn es um den Umgang mit sozialen Problemen geht. Hier setzt unser Projekt „Zukunft – nur mit uns!“ an. Da Alltagserfahrungen der Teilnehmenden Ausgangsbasis unserer Seminargestaltung sind, ist es wichtig, eng mit den LehrerInnen zusammenzuarbeiten. Sie kennen die Probleme ihrer SchülerInnen am besten, beobachten kontinuierlich Gruppenprozesse und wissen von individuellen Schwierigkeiten in Herkunftsfamilien. Vorbereitende Gespräche und der Austausch während des Seminars sind daher von großer Bedeutung für den Erfolg der Bildungsmaßnahme. Auch ein gemeinsames Freizeitangebot gehört zum Seminar, weil es LehrerInnen und SchülerInnen ermöglicht, sich gegenseitig neu kennen zu lernen. Um die Nachhaltigkeit unserer Seminarergebnisse zu gewährleisten, pflegen wir den Kontakt zu den Teilnehmenden über das Seminar hinaus, indem wir weiterhin beratend zur Seite stehen und SchülerInnen und LehrerInnen darin unterstützen, im Seminar Gelerntes mit in den Schulalltag zu nehmen.

Um den Teilnehmenden zu verdeutlichen, dass Beteiligung und Mitbestimmung möglich ist, geben wir ihnen die Möglichkeit, die Schwerpunktsetzung der inhaltlichen Arbeit selbst zu wählen. In diesem Zusammenhang achten wir auch darauf, gemeinsam mit den Teilnehmenden Öffentlichkeit für die Unzufriedenheiten der Jugendlichen herzustellen, indem wir z.B. eine Fotoausstellung erstellen, die in Schulen des Bezirks gezeigt werden soll.

Methoden

Die Arbeitsweise ist produktorientiert, d.h. im Laufe des Seminars wird z. B. ein kurzer Videoclip, eine Diashow, eine Zeitung, ein Theaterstück etc. erstellt. Diese Verknüpfung von inhaltlicher und kreativer Arbeit hat zum einen den Vorteil, dass Jugendliche eine zweite Reflexionsebene erhalten, auf der sie das Seminarthema bearbeiten können. Die Jugendlichen sind dadurch aber auch gezwungen, einen eigenen Standpunkt zum Thema zu entwickeln und diesen auch (vor den anderen) in ihrem Produkt zu vertreten. Die Produktorientierung stärkt das Selbstbewusstsein der Jugendlichen und führt nicht selten zur Verschiebung von Gruppenhierarchien.

In dem Projekt „Zukunft – nur mit uns!“ wird mit vielfältigen biographischen und erfahrungsnahen Methoden gearbeitet, die an den Erfahrungen der Teilnehmenden ansetzen und diese zum Ausgangspunkt für die inhaltliche Auseinandersetzung machen. Dieser methodische Zugang sichert die Aufmerksamkeit und die Bereitschaft der Teilnehmenden, sich auf die Seminarinhalte einzulassen und den eigenen Nutzen aus der Teilnahme an den Seminaren zu erkennen. Darüber hinaus kommen in unseren Seminare auch diskursive, gruppendynamische, interaktive und kreative Methoden sowie Methoden der Körperarbeit, Theaterpädagogik und Selbstverteidigung zum Einsatz.

Finanzierung

Das Projekt wird aus Mitteln der Stiftung Aktion Mensch und aus Teilnahme-Beiträgen finanziert.

Erfahrungen

Mit den im ersten Projektjahr durchgeführten Seminaren wurden ca. 135 Jugendliche aus Berlin und Brandenburg erreicht. Es zeigte sich, dass bei den Schulen, den beteiligten Jugendlichen und LehrerInnen vor allem der Themenkomplex Selbstbehauptung im Umgang mit Gewalt, Konflikten und Aggressionen auf sehr großes Interesse stieß. Da die Jugendlichen die Themenwahl im Vorfeld des Wochenseminars mitbestimmen und auch bei Wochenendseminaren ihre Interessen einbringen können, zeigte sich die Resonanz der Thematik unter den Jugendlichen sehr deutlich. Bisher konnten mit der Riesengebirgs-Schule aus Berlin-Schöneberg, der Jean-Piaget-Schule in Berlin-Hellersdorf und der Gesamtschule Luckenwalde Seminare mit mehreren achten und neunten Schulklassen durchgeführt werden.

Die wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Potsdam, Fachbereich Erziehungswissenschaft erwies sich als sehr konstruktiv. Nach Sondierungsgesprächen konnte ein Evaluationskonzept vereinbart, Teilnehmendenbefragung und teilnehmende Beobachtung der Kleingruppenarbeit als zentrale Instrumente festgelegt und bereits in ersten Maßnahmen umgesetzt werden.

Als positiv erweist sich die Bildung eines eigenen Projektteams, von dem die Seminare durchgeführt werden. Zum einen arbeiten sich die TeamerInnen intensiv in die Materie ein, zum anderen ermöglicht es ihnen der Projektzusammenhang, kontinuierliche Diskussionen über Inhalte, Methoden und Didaktik zu führen und Seminarbausteine schnell zu überarbeiten oder der Zielgruppe anzupassen. So konnten die ursprüngliche Konzeption des Projektes und verschiedene Seminarbausteine aus den Bereichen (geschlechtsspezifische) Selbstbehauptung, Konfliktbewältigung und Interessenvertretung für Wochen-, Wochenendseminare und Ferienfahrten weiterentwickelt werden. In diesem Zusammenhang konnte auch der geschlechtsspezifische Ansatz als pädagogischer Weg der Arbeit mit Jungen in seinen didaktischen Grundzügen festgelegt und erprobt werden.

Kontakt

Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein
Frau Bettina Dettendorfer
Freienwalder Alle 8-10
16356 Werneuchen / Werftpfuhl
Tel. 033398-8999-17
Fax 033398-8999-13
E-Mail: b.dettendorfer@kurt-loewenstein.de