"Future Leaders - Gemeinsam Europa erleben und gestalten"

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03.06.2005 | 

Eine Weiterbildungsveranstaltung für Aktive aus Jugendverbänden und NGO´s. In: Außerschulische Bildung 4/2004.

Thomas Gill / Raana Gräsle / Candida Splett in: Außerschulische Bildung 4/2004, Zivilgesellschaft: Voraussetzung und Aufgabe politischer Bildung.

Müde und erschöpft von der zum großen Teil sehr beschwerlichen Anreise mit Bahn oder Bus treffen sie von morgens früh bis zum späten Abend in der Bildungsstätte ein. Dieses Jahr kommen sie aus Riga, St. Petersburg, Wilnius, Posnan, Kranj, Sofia, Bratislawa, Linz, Utrecht, Belgrad und Stuttgart. Nicht kommen konnten (leider wieder einmal) die InteressentInnen aus Moskau und Lugansk, denn die deutschen Botschaften haben die Ausstellung von Visa verweigert, trotz eines teuren Spezialkuriers für die Originaleinladungen, trotz des Verweises auf die öffentliche Förderung der Veranstaltung, trotz Nachreichung aller geforderter Extras, trotz mehrfacher Beschwerden beim Auswärtigen Amt wegen der restriktiven Visa-Handhabung der beiden Botschaften.

Zum Teil kennen sie bereits die Einrichtung, die Seminarleiterin, einige der TeamerInnen und andere Teilnehmende von früheren Jugendbegegnungen, zum Großteil sind sie aber zum ersten Mal hier und versuchen sich erst einmal zu orientieren. Die Verständigung klappt ganz gut. Jene, die noch Hemmungen haben Englisch zu sprechen, finden jemanden, der für sie übersetzt. Das Team und die, die schon da waren, wissen: spätestens zwei Tage später reden alle munter in Englisch drauf los. Englischkenntnisse waren Voraussetzung für die Teilnahme an der Veranstaltung.

Die Veranstaltung heißt „Future Leaders“ und findet in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein in Werftpfuhl bei Berlin statt. Alle Teilnehmenden sind Aktive aus Jugendverbänden und NGO´s, die schon Erfahrungen in ihren Organisationen sammeln konnten und zukünftig neue Aufgaben im nationalen und internationalen Bereich übernehmen wollen.

Internationale Bildung und Begegnung in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein

Seit 1995 ist die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein Bundesbildungsstätte der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken und hat damit ihren Aufgabenbereich wesentlich erweitert. Neben der Unterstützung des Aufbaus des Jugendverbandes in Ostdeutschland war damit auch das Ziel verbunden, neue Kontakte nach Mittel- und Osteuropa (MOE) aufzubauen und die sich dort neu entwickelnden Partnerorganisationen zu unterstützen. Die Schwerpunkte der internationalen Bildungsarbeit der Jugendbildungsstätte sind heute vielfältig. Wir veranstalten Jugendbegegnungen in Kooperation mit Schulen, berufsbezogenen internationalen Austausch mit Auszubildenden, kulturelle internationale Projekte, internationale Seminare zu den verschiedensten Themen in Kooperation mit mittel-, ost- und westeuropäischen Partnerorganisationen und Qualifizierungsseminare für Aktive der Jugendarbeit aus ganz Europa.

Unseren Schwerpunkt legen wir bei unseren Projekten auf die Arbeit mit Teilnehmenden aus MOE. In den ehemals kommunistischen Ländern Mittel- und Osteuropas wurde die Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen unterdrückt und dadurch nachhaltig behindert, dennoch existieren zivilgesellschaftliche Ansätze in vielfältigen Aktivitäten. Aber auch über zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme ist die Realisierung zivilgesellschaftlicher Standards in vielen MOE-Staaten nach wie vor schwierig, trotz der heutigen EU-Mitgliedschaft einiger Länder. Die Zivilgesellschaft ist noch immer schwach organisiert, unterfinanziert, mit zu wenig Personal ausgestattet und nur unzureichend in die jeweilige politische und wirtschaftliche Ordnung integriert.

Neben der Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure für deren Positionierung im eigenen Land verfolgen wir mit unseren Angeboten auch das Ziel eines Austauschs zwischen Ost und West über Problemlagen und eine gemeinsame Lösungsfindung über Staatsgrenzen hinweg. Die stabile langfristige Zusammenarbeit und Netzwerkbildung mit unseren Partnern in MOE und ganz Europa ist für uns auch ein Beitrag zum Prozess der europäischen Integration, den wir so versuchen mit Leben zu füllen. Gemeinsam wollen wir Ideen für dessen aktive Gestaltung entwickeln.

Das Projekt „Future Leaders“

Das Projekt „Future Leaders - Gemeinsam Europa erleben und gestalten“ haben wir erstmals im Jahr 2000 durchgeführt und wiederholen es seitdem im jährlichen Turnus. Neben der Vermittlung interkultureller und methodischer Kompetenzen stehen Möglichkeiten und Grenzen zivilgesellschaftlichen Handelns, die Europäische Union, ihre Erweiterung sowie die nachbarschaftlichen Beziehungen innerhalb der EU und zu ihren (neuen) Nachbarstaaten im Mittelpunkt der Seminare.

Die Zielgruppe des Seminars

Die internationale Fortbildungsmaßnahme „Future Leaders“ richtet sich an VerantwortungsträgerInnen politischer Jugendorganisationen und NGO´s in verschiedenen Ländern West?, Mittel- und Osteuropas. Es nehmen pro Jahr rund 40 ehrenamtliche Jugendliche und junge Erwachsene an der Veranstaltung teil, die durch ihre Erfahrungen in der Lage sind, Kooperationen, die sich aus den jeweils konzipierten Projekten ergeben, mittelfristig umzusetzen. Die Teilnehmenden verfügen in der Regel über Entscheidungsbefugnisse innerhalb ihrer NGO bezüglich der nationalen bzw. regionalen Aktionsplanung und stehen in direktem Kontakt mit allen Ebene der Organisation. Bei der Rekrutierung der Teilnehmenden streben wir an, möglichst zur Hälfte Mitglieder der nationalen und zur anderen Hälfte der regionalen Organisationsebene zu gewinnen. Auch aus Organisationen, deren Strukturen kaum regionalisiert sind, sollen Aktive bzw. interessierte Menschen angesprochen werden, die sich künftig eine verantwortungsvolle Position innerhalb einer regionalen Gliederung vorstellen können. Schließlich legen wir großen Wert auf eine geschlechterparitätische Besetzung unserer Seminare.

Viele Organisationen in MOE haben wenig Erfahrung in der Ausbildung von GruppenleiterInnen / BetreuerInnen. Auch werden die NGO’s meist rein ehrenamtlich organisiert. In diesem Zusammenhang fehlen nach wie vor Materialien und geeignete Methoden. Dem möchten wir mit unserem Projekt entgegenwirken. Anfangs wurde oft ausdrücklich um eine Unterstützung durch befreundete Organisationen aus dem Westen gebeten, die zunächst eher nach dem „Feuerwehrprinzip“ reagierten. Inzwischen aber werden gemeinsam Konzepte entwickelt und Ideen umgesetzt.

Woher kommen die Teilnehmenden?

Es gibt drei verschiedene Gruppen von Organisationen, aus denen die Teilnehmenden bislang kamen. Erstens können FunktionsträgerInnen von Mitgliedsorganisationen der IFM-SEI (International Falcon Movement) und zweitens von Mitgliedsorganisationen der IUSY (International Union of Socialist Youth) teilnehmen. Drittens kommen vermehrt Aktive verschiedener themenorientierter NGO’s wie Umwelt-NGO’s, lbgt (lesbigaytransgender)-NGO’s, SchülerInnen-Organisationen oder Multikulti- und Antira-NGO’s. Meist nehmen pro Land zwischen zwei und vier Personen aus unterschiedlichen Organisationen teil. Die Organisationen und Gruppierungen kommen aus den unterschiedlichsten Regionen Europas, haben mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gegebenheiten und politischen Systemen zu tun und bringen entsprechend unterschiedliche Bedürfnisse und Interessenlagen mit.

Wer in einem Land wie der BRD – trotz aller Kürzungen im Jugendbereich – in einer etablierten Jugendorganisation wie der SJD – Die Falken aktiv ist, dessen Hintergrund ist ein komplett anderer als der eines Aktiven in Belarus in einer – mal wieder von Lukaschenkos Machtapparat – verbotenen Jugendorganisation, der für eine demokratische Erneuerung arbeitet. Auch die Situation unserer Partnerorganisationen aus England, Frankreich, Österreich oder den Niederlanden unterscheidet sich deutlich von der unserer Partnerorganisationen aus Estland, Lettland, Litauen, der Slowakischen oder der Tschechischen Republik. Auch zwischen den MOE-Ländern bestehen große Unterschiede. So florieren in Polen und Slowenien inzwischen verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen, während die Organisationen in der Ukraine, in Russland oder Serbien massiv mit den unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen haben.

Organisationen, die einmal teilgenommen haben, kommen in der Regel wieder zu Future-Leaders- (und/oder zu anderen) -Seminaren, es kommen jedoch auch beständig interessierte neue Organisationen aus dem beschriebenen Spektrum hinzu.

Ziele und inhaltliche Schwerpunkte

Ziel des Seminars “Future Leaders” ist die methodische und inhaltliche Qualifizierung der Teilnehmenden für die regionale, nationale und internationale Jugendarbeit. Um die multiplikatorische Wirkung der Fortbildung sicherzustellen, entwickeln wir gemeinsam mit den Teilnehmenden Ausbildungsmaterial und –methoden, die den beteiligten Organisationen und deren Mitgliedern im nationalen und europäischen Rahmen zugute kommen. So werden Gruppenleiter-Fortbildungen konzipiert, Tool-Kits für bestimmte Themenfelder wie beispielsweise interkulturelles Lernen, EU und EU-Erweiterung, Antirassismus-Arbeit, Fundraising, Quality Management, Public Relations, Conflict Management, Projektmanagement etc. erstellt, die schließlich in den einzelnen Teilnehmerorganisationen angewandt bzw. in organisationseigenen Weiterbildungen weitergegeben werden.

Thematisch haben wir uns in den letzten Jahren neben dem übergeordneten EU-Thema auf folgende drei Schwerpunkte konzentriert: 1. Interkulturelles Lernen, 2. Öffentlichkeitsarbeit und die Auseinandersetzung mit Medien und 3. Projektmanagement (theoretisch und anhand selbst zu erarbeitender internationaler Projekte, die im Verlauf eines Jahres gemeinsam geplant, durchgeführt und ausgewertet werden).

Themenschwerpunkt interkulturelles Lernen

Heute kann in jedem beliebigen Staat von „Kultur“ eigentlich nur im Plural gesprochen werden. In allen Ländern finden sich nebeneinander vielfache kulturelle, soziale und politische Orientierungen, die auch an den Ländergrenzen nicht halt machen, sondern selbst „globalisiert“ sind. Diese Pluralität und die zunehmende Auflösung traditioneller Gemeinwesen stellen neue Anforderungen an Jugendliche und Erwachsene. Es erfordert Toleranz, Empathie- und Konfliktfähigkeit, sich innerhalb unterschiedlicher kultureller Systeme zurechtzufinden. Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund ist interkulturelles Lernen und der Erwerb interkultureller Kompetenz heute als eine Dimension von Allgemeinbildung zu begreifen. Es ist daher wichtig, dass „Future Leaders“ einen Beitrag zu diesem Prozess und zum Erwerb der notwendigen Kompetenzen leistet.

Eine gemeinsame europäische Identität kann nur in der Auseinandersetzung miteinander und mit gemeinsamen Themen und durch die Schaffung des Bewusstseins erfolgen, in einem europäischen Kontext zu leben, in dem die Bedeutung der Nationalstaaten zurückgeht und die (gemeinsamen) Probleme nur durch gemeinsames Handeln gelöst werden können. Nicht zuletzt dient das Nachdenken über gemeinsame Handlungsmöglichkeiten der Schaffung eines Bewusstseins darüber, dass Kultur nicht statisch, sondern immer prozesshaft und wandelbar ist.

Die Teilnehmenden sollen während der Begegnung immer wieder darin unterstützt werden, eigene Positionen zu formulieren und zu begründen. Nur wer sich der eigenen momentanen Identität bewusst ist, kann sich in die Auseinandersetzung mit „anderen Kulturen“ begeben, seine Meinung hinterfragen und neue Positionen annehmen. Dabei soll vermittelt werden, dass Identität ein Beziehungsbegriff und keine Festung ist, und so die Grundlage für wechselseitige Offenheit geschaffen werden.

Während der Weiterbildung lernen die Teilnehmenden auf verschiedenen Ebenen den Lebensalltag und den gesellschaftspolitischen Hintergrund unterschiedlicher Ländern kennen. Diese Kenntnisse und der persönliche Austausch ermöglichen Empathie und damit die Fähigkeit, das Handeln der anderen im Kontext ihrer Lebensbedingungen, Wertvorstellungen und ihrer historischen Erfahrung zu sehen.

Die Vermittlung interkultureller Kompetenz umfasst die Analysekompetenz als den Erwerb von Wissen über die eigene Kultur und fremde Kulturen sowie Handlungs- und Sozialkompetenz im Sinne der Kommunikations-, Team-, und Konfliktfähigkeit auch in interkulturellen Situationen. Empathie, Ambiguitätstoleranz und Solidarität sind hier elementare Ziele. Sie ermöglichen Begegnungen, ohne voreilige Verallgemeinerungen vorzunehmen, und differenzierte Reaktionen auf Fremdheitserfahrungen. Schließlich geht es um die Förderung von Reflexionskompetenz: die Erkenntnis, dass jeder Mensch kulturell geprägt ist, und die darauf folgende Bereitschaft zum Perspektivwechsel, zur Reflexion von Selbst- und Fremdbildern und zur Kontextualisierung. Dies wirkt sich auch als Erweiterung der Selbstkompetenzen aus. Nicht nur die Identität und Kultur der „Anderen“ wird in den Blick genommen, sondern auch die eigene Identität bearbeitet. Gefördert wird insgesamt ein personaler Entwicklungsprozess auf der kognitiven, affektiven und der Verhaltensebene. Dabei wird interkulturelles Lernen in allen Bereichen als soziales Lernen verstanden, das durch die Erfahrungen kultureller Unterschiede und durch kulturellen Vergleich sowohl zur Analyse und Relativierung der eigenen kulturellen Normen, als auch zum Abbau kultureller (nationaler) Vorurteile führt. Ziel ist es, die Teilnehmenden zu qualifizieren, die verschiedenen interkulturellen Kompetenzen als MultiplikatorInnen methodisch und inhaltlich in ihren Organisationen weiterzuvermitteln.

Themenschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit

Im Themenschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit verfolgen wir das Ziel der Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit für die eigene Organisation auf der theoretischen und praktischen Ebene einerseits und das Erarbeiten von Handwerkszeug für ein schlüssiges Konzept und dessen Umsetzung im eigenen Land und international andererseits. Während des Seminars wird diskutiert, welchem Zweck Öffentlichkeitsarbeit dient bzw. nicht dient, und welche Zielgruppen über Öffentlichkeitsarbeit angesprochen werden sollen. Auch die verschiedenen Mittel der Öffentlichkeitsarbeit werden von und mit den Teilnehmenden erarbeitet: Allgemeine Gestaltungsrichtlinien, Selbstdarstellung, Pressearbeit, Veröffentlichungen, Veranstaltungen etc. Die Teilnehmenden führen (angeleitet) Profilanalysen der Öffentlichkeitsarbeit ihrer Organisationen durch und entwickeln auf dieser Grundlage kurz-, mittel- und langfristige Handlungsstrategien.

Themenschwerpunkt Projektmanagement

Ziel im Themenschwerpunkt Projektmanagement ist es, die Teilnehmenden in den Techniken des Projektmanagements fortzubilden, wobei wir besonderen Wert auf die Vermittlung von „Erfolgsfaktoren“ von Non-Profit-Organisationen legen, da einige Organisationen wesentlich über die eigene Ineffizienz zu stolpern scheinen. Insbesondere geht es beim Themenbereich Projektmanagement um die Fragestellung, welche Projekte für die Organisationen „lohnend“ sein können und wie es unter den gegebenen Voraussetzungen innerhalb der NGO’s leistbar ist, diese auch durchzuführen. Neben der Vermittlung theoretischer Grundlagen arbeiten wir mit konkreten Ideen der Teilnehmenden. Dabei durchlaufen wir die Vorbereitungsphase (Situationsanalyse, konkrete Planung, Zeitmanagement, Finanzquellen, Ressourcenmanagement), Durchführungsphase und Evaluationsphase eines Projektes, um auf konkrete Hindernisse und mögliche Störfaktoren aufmerksam zu machen und eine Realisierbarkeit zu gewährleisten. Konkretes Ziel des Lernbereichs Projektmanagement ist die Konzipierung neuer internationaler Projekte, die in einem entstandenen, internationalen Kooperations-Netzwerk der teilnehmenden Organisationen mittelfristig umgesetzt werden können.

Ziel des Bildungsseminars im Bereich EU ist die Qualifizierung und das Empowerment der Teilnehmenden. Hierzu gehört neben der thematischen Auseinandersetzung mit der erweiterten EU sowie ihrer neuen Nachbarschaft die Stärkung grenznaher Kontakte und die Erarbeitung von Nachbarschaftskonzepten, das Verstehen aktueller Prozesse innerhalb der EU (EU-Verfassung, EU-Außenpolitikagenda etc.), die Vernetzung von – in der Zivilgesellschaft aktiven – jungen Menschen aus Europa, die Auseinandersetzung mit dem Umgang von Jugendorganisationen mit Hoffnungen, Befürchtungen und Erwartungen ihrer Mitglieder an die erweiterte EU und die Aneignung von inhaltlichem und methodischem Know-How für die Arbeit vor Ort. Generell sollen die Teilnehmenden als MultiplikatorInnen Handreichungen für umsetzbares gesellschaftspolitisches Lernen in ihren Organisationen vor Ort erhalten, indem sie einen „Methoden-Werkzeugkasten-Europa“ an die Hand bekommen.

Übergeordnetes Seminarziel in allen Bereichen der Future-Leaders-Fortbildung ist die Befähigung der Teilnehmenden, das Erlernte den nationalen und internationalen Aktivitäten ihrer Organisationen und den Rahmenbedingungen, mit denen sie konfrontiert sind, anzupassen. So soll die Handlungsfähigkeit der Teilnehmenden der Seminare, aber auch ihrer Organisationen verbessert werden.

Umsetzung

Die genannten Themen werden den Teilnehmenden auf der Ebene des Erlernens (Methoden, Spiele, technische Fertigkeiten und Anleitung von Gruppen), des eigenen Erlebens (ausprobieren, erfahren, Gruppenprozesse erleben, gemeinsame Produktion) und der Reflexion (austauschen mit anderen, bewusst werden über Mechanismen einer Gruppe, Blick von außen) näher gebracht.

Die Umsetzung während des Seminars erfolgt in zwei Hauptteilen: morgens arbeiten die Teilnehmenden im Plenum oder in Kleingruppen theoretisch und praktisch an einem bestimmten Themenkomplex (z.B. EU, Öffentlichkeitsarbeit, Projektmanagement etc.). Nachmittags arbeiten sie in national gemischten „Medienarbeitsgruppen“ (z.B. Zeitung, Website, Video), die über die gesamte Woche als feste Gruppen bestehen bleiben.

Grundsätzlich ist das Seminar in allen Einheiten an die tägliche Praxis der teilnehmenden Organisationen angelehnt und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Teilnehmenden ausgerichtet. So wird im Bereich „Projektmanagement“ auf der Grundlage von Fachreferaten und anschließenden Diskussionen zunächst Grundwissen vermittelt. Anhand kleiner Übungen wird das theoretisch Erlernte dann praktisch „überprüft“. Die Einführung erfolgt stufenweise unter besonderer Berücksichtigung der von den Teilnehmenden am Anfang des Seminars geäußerten eigenen Bedürfnislage. Schließlich werden tatsächliche Projekte geplant und überprüft, um die Organisationen in ihrer Arbeit vor Ort zu fördern. Da wir es oftmals mit ineffizienten Organisationsstrukturen zu tun haben, legen wir besonderen Wert auf die Vermittlung von Erfolgsfaktoren von Non-Profit-Organisationen. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns mit den Themen „Zieldefinitionen“, Zeit- und Selbstmanagement“, „Methodik und Diskussions-Vorbereitung“, „Kommunikation“, „Überzeugungskraft“, „Verhalten in Konflikten“ und „erfolgreiche Teamarbeit“.

Ähnlich verhält es sich mit dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Die Vermittlung von Grundwissen erfolgt in einer Mischung von Theorie und Praxis. Auch hier führen Fachreferate in die verschiedenen Themenbereiche ein, woraufhin dann Übungen die Teilnehmenden darin unterstützen, das Gehörte auch praktisch zu vertiefen. Nach der Grundeinführung wird die existierende Öffentlichkeitsarbeit der verschiedenen Organisationen von allen gemeinsam kritisch unter die Lupe genommen, das heißt die Teilnehmenden führen vom Team angeleitet Profilanalysen der eigenen Situation durch, sowohl generell, als auch für bestehende Publikationen, Strategien und Aktivitäten. Danach werden gemeinsame Richtlinien der öffentlichen Darstellung erarbeitet und konkrete Öffentlichkeitsarbeitskonzepte entwickelt. Die Konzepte werden schließlich im Zusammenhang mit den gemeinsam geplanten und im Nachgang der Seminare umgesetzten Projekten angewandt.

Ein wichtiges didaktisches Prinzip unserer Arbeit, das in den am Nachmittag stattfindenden Medienarbeitsgruppen umgesetzt wird, ist die Produktorientierung. Die national gemischten Gruppen suchen sich ein gemeinsames Thema aus, das sie mittels eines Mediums bearbeiten. So werden im Laufe des Seminars z.B. Videoclips, Radiosendungen, Zeitungen, Fotoshows, Internetseiten etc. zu den gewählten Themen erstellt. Diese Vorgehensweise dient zwei Zielen: Zum einen findet hier konkretes interkulturelles Lernen über die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema und die Einigung darüber statt, wie und mit welcher Aussage das Thema umgesetzt werden soll. Zum anderen dienen die Medienarbeitsgruppen der Medienkompetenzentwicklung. Die Teilnehmenden lernen, die Medien zu nutzen, um sie nach dem Seminar für ihre Organisation gewinnbringend einzusetzen. Nicht selten sind z.B. Teilnehmende der Zeitungsgruppe in ihren Organisationen zuständig für die Verbandspublikation oder Teilnehmende der Website-Gruppe diejenigen, die die Website ihrer NGO betreuen. Teilnehmende der Video-Gruppe sind nach der Woche in der Lage, Video-Clips aller Art wie Selbstdarstellungsclips, Dokumentarfilme über Veranstaltungen oder Werbeclips für Kampagnen zu erstellen.

Neben den beschriebenen thematischen Morgeneinheiten und den Medienarbeitsgruppen am Nachmittag fördern durchgängig eingesetzte interaktive Methoden und weitere feste Bestandteile des Seminars den Gruppenbildungsprozess: ein gemeinsames Warm-Up der Gruppe am Morgen, freiwillige „Committees“ in der Mittagspause (ein Komitee, das für die Dokumentation des Seminars und den gemeinsamen Bericht zuständig ist, sowie ein Komitee, das den Freizeitbereich (Sport, Kneipe, Disko, Partys etc. organisiert) und Evaluationsgruppen am Abend, in denen die Teilnehmenden in festen Kleingruppen den jeweiligen Tag reflektieren und darüber direkten Einfluss auf die weitere Seminargestaltung haben.

Ausblick

Das Konzept unseres Future-Leaders-Projektes wird beständig weiterentwickelt und jedes Jahr wieder sehr positiv von den Teilnehmenden aufgenommen. Wie sich zeigt, führt der zum Teil sehr unterschiedliche Kenntnisstand nicht zu Langeweile bei den „Fortgeschrittenen“, sondern zu einem regen Austausch, der auf der formellen und informellen Ebene stattfindet. Dieser Austausch wird sowohl zum inhaltlichen Selbstläufer, was die Seminarthemen angeht, als auch zum Hilfsmittel des Kennen- und Verstehenlernens der Teilnehmenden untereinander, die in ihren Ländern mit ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen und geschichtlichen sowie kulturellen Hintergründen konfrontiert sind. Er ist Ausgangspunkt dauerhafter Freundschaften und Kooperationsbeziehungen. So wurden aufgrund der in der Jugendbildungsstätte gemeinsam entwickelten Methoden und Materialien bereits mehrfach nationale Future-Leaders-Seminare durchgeführt. Anfangs wurden hierzu noch TeamerInnen der Bildungsstätte als „Supporter“ eingeladen, doch mittlerweile gibt es in vielen Organisationen Ehrenamtliche, die Future-Leaders-Seminare mit den in Werftpfuhl erarbeiteten Materialen selbstständig durchführen. Auch bi- und multilaterale Projekte in den Ländern der Teilnehmenden sind aus Future Leaders entstanden. Viele internationale Seminare, die in Werftpfuhl angeboten werden, stützen sich auf Netzwerke, die durch Future Leaders gewachsen sind: Die Internationalen Winterschulen, wie sie jedes Jahr über Sylvester stattfinden, die insgesamt um die 150 Jugendliche aus rund 20 Ländern zusammen bringen, wären ohne diese Kontakte nicht denkbar. Unser gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführtes Projekt „EuroVisions – EU-Enlargement evaluated“ ist eine Fortentwicklung von Future Leaders, die als Weiterbildungsveranstaltung zu EU und EU-Erweiterung konzipiert ist. Auch aus dieser Seminarreihe entstehen weitere bi- und multilaterale Projekt, so z.B. die von Slowenen und Ukrainern gemeinsam geplante Errichtung eines Jugendzentrums in der Ukraine, dessen inhaltliche Zielsetzung die Förderung der europäischen Integration ist.

Konnten wir in den ersten Jahren des Future-Leaders-Projektes noch feststellen, dass Jugendliche aus MOE einen deutlich niedrigeren Wissensstand in Bezug auf Europa haben als Jugendliche aus westeuropäischen Ländern, so hat sich dies mittlerweile grundlegend geändert. Inzwischen sind Teilnehmende aus den neuen EU-Mitgliedstaaten meist wesentlich besser informiert als ihre Counterparts aus den alten EU-Staaten. Wissenslücken sind jedoch nach wie vor auf allen Seiten vorhanden. Alle Organisationen sind nach wie vor sehr an einer weiteren Qualifizierung ihrer VerantwortungsträgerInnen und MultiplikatorInnen für die Jugendarbeit im europäischen Kontext interessiert. Da viele nach wie vor wenig Material, Erfahrungen und Möglichkeiten für eine solche Qualifizierung haben, wünschen sie sich ausdrücklich die Unterstützung anderer Organisationen. Insbesondere Organisationen aus den neuen Nachbarstaaten der erweiterten EU hoffen hierbei auf die Unterstützung von Verbänden aus EU-Ländern. In diesem Punkt besteht weiterer Handlungsbedarf bei den Trägern außerschulischer politischer Bildung. Ziel sollte es sein, Methoden und Materialien gemeinsam mit den zu qualifizierenden Organisationen und abgestimmt auf deren spezielle Bedürfnisse zu entwickeln. Inhaltlich sollte bei gemeinsamen Weiterbildungsveranstaltungen vor allem auf die bessere Verankerung interkultureller und antirassistischer Erziehung in den teilnehmenden Organisationen geachtet werden.

Wie eingangs erwähnt, stellt die restriktive Handhabung der Visavergabe deutscher Botschaften in einigen Nicht-EU-Staaten ein erstzunehmendes Hindernis bei der Umsetzung entsprechender Weiterbildungsveranstaltungen dar. Dieses Problem sollte - z.B. mittels der „Open the world“-Kampagne zur Stärkung internationaler Jugendarbeit - wesentlich stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden.

Noch genauso müde wie bei der Anreise, aber voller neuer Erfahrungen, neu erworbenem Wissen und hoch motiviert, stehen die Teilnehmenden der Weiterbildung zum Abschied bereit. Sie sind schwer beladen mit Materialien, die als Hand-Out zu den einzelnen Seminarschwerpunkten verteilt oder gemeinsam erarbeitet wurden. Die Verabschiedung ist herzlich, viele neue Freundschaften sind in der Woche entstanden. Freundschaften, die – so zeigt die Erfahrung nach fünf Jahren – lange Bestand haben werden. Wie mit der Fortbildung beabsichtigt, werden Teilnehmende weitere Verantwortung in ihren Organisationen insbesondere auf internationaler Ebene übernehmen. So waren viele ehemalige Future-Leaders-Teilnehmende verantwortlich in die EU-Beitrittskampagnen ihrer Heimatländer eingebunden, und zwei arbeiten inzwischen bei neu gewählten Abgeordneten aus den Beitrittsländern in Brüssel.

Thomas Gill arbeitet als Geschäftsführer in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein, Raana Gräsle ist die für die internationalen Bildungsseminare zuständige Referentin und Candida Splett ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

Anschrift: Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein, Freienwalder Chaussee 8-10, 16356 Werneuchen – OT Werftpfuhl.