Rosa & Karl 2016: „Solange es Kapitalismus gibt, gibt es Flucht“

10.01.2016 | 

Vom 08. - 10.01.2016 sind 200 junge Aktive aus ganz Deutschland in die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein gekommen, um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken und aktuelle Entwicklungen zu untersuchen. Besonderes Augenmerk galt dem Thema Flucht.

Aus den Workshop-Thesen:

„Solange es Kapitalismus gibt, gibt es Flucht. Der Kapitalismus verursacht die Flucht.

Dabei stehen wir oft vor dem Dilemma, wie wir gegenüber geflüchteten Menschen konkrete praktische Solidarität zeigen, aber gleichzeitig auch die unserer Meinung nach falsche Flüchtlingspolitik kritisieren, die häufig rassistische Züge hat.

Bei der konkreten Unterstützung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, deren spezielle Bedürfnisse nach einer friedlichen und stabilen Umgebung und Bildung nicht aus den Augen zu verlieren.“

Junge Menschen sind aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengekommen, um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, die am 15. Januar 1919 in Berlin ermordet wurden. Nicht historische Verklärung sondern die Betrachtung aktueller Verhältnisse stand im Mittelpunkt des Seminarwochenendes „Rosa & Karl“, das vom 8. bis 10. Januar 2016 zum 17. Mal in Werneuchen stattfand.

200 ehrenamtlich Aktive der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken haben sich in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein getroffen und in verschiedenen Workshops intensiv miteinander diskutiert. Die thematische Bandbreite reichte von historischen Betrachtungen der Arbeiterbewegung oder der Novemberrevolution über die Auseinandersetzung mit „Utopie und Widerstand in Comics“ bis hin zu sehr aktuellen Themen wie dem Organisierten Verbrechen in Lateinamerika.

Besonderes Augenmerk wurde den Themen Flucht und Migration gewidmet. Junge Geflüchtete aus Luckenwalde berichteten über die Krise in Syrien und ihre persönlichen Fluchterfahrungen. Die gesellschaftlichen Umstände wurden kritisch in den Blick genommen: „Der Kapitalismus verursacht die Flucht“, lautet eine der Thesen, die in den Workshops aufgestellt wurden. Die weltweite Wirtschaftsordnung sei auch eine wesentliche Ursache der Kriege, vor denen die Menschen flüchteten.

Bildungsreferent und Mitorganisator Tim Scholz sieht hier den direkten Zusammenhang zu den Namensgeber_innen der Veranstaltung: „Vor hundert Jahren haben Luxemburg und Liebknecht bereits den Kapitalismus kritisiert und sich engagiert gegen Krieg und Militarismus eingesetzt. Heute erleben wir, wie Millionen von Menschen vor ebensolchen Kriegen auf der Flucht sind. Da liegt es nahe, auch nach unserer Verantwortung dafür zu fragen“, so Scholz.

So wurde auch thematisiert, welchen Beitrag der eigene Jugendverband leisten sollte: „Wir wollen geflüchtete Kinder und Jugendliche unterstützen und dabei darauf achten, ihre speziellen Bedürfnisse nach einer friedlichen und stabilen Umgebung und Bildung nicht aus den Augen zu verlieren“, erklärt Scholz.

Ein Workshop, der sich mit den Aussagen Rosa Luxemburgs beschäftigte, fand sehr gegenwärtige Antworten auf die Frage, wie weltweite Gerechtigkeit zu erreichen wäre: Solange sich die Gesellschaft weiterhin vor allem über die Zugehörigkeit zu Nationen definiere, sei keine völlige Gleichberechtigung möglich.

Am Sonntag fanden mehrere Gedenkspaziergänge zu historischen Orten in Berlin statt, die mit der „Novemberrevolution“ von 1918/19 in Verbindung stehen. Mit einer gemeinsamen Abschlusskundgebung am Olof-Palme-Platz in Berlin-Tiergarten endete das „Rosa & Karl“-Wochenende.

Immanuel Benz und Josephin Tischner, die Bundesvorsitzenden der SJD - Die Falken, erklären, warum sie sich bewusst für diese Form des Gedenkens entschieden haben: „Uns war klar: Wir wollen keine Heldenverehrung, sondern kritisches Denken und Gedenken. Mit den dezentralen Spaziergängen probieren wir in diesem Jahr eine neue Form, die individuelles Gedenken ermöglicht, aber gleichzeitig einen gemeinsamen Abschluss eines intensiven Bildungswochenendes schafft.“

Die Meldung der SJD – Die Falken zum „Rosa & Karl - Wochenende" findet sich hier.

Interview mit Bildungsreferent Tim Scholz auf taz.de vom 08.01.2016