Presseerklärung

20.06.2022 | 

Nein zur Dienstpflicht! Stattdessen Freiwilligendienst attraktiver machen

Bis zum Jahr 2011 mussten junge Männer in Deutschland zur Bundeswehr oder ersatzweise einen Zivildienst leisten. Nach der Abschaffung dieses Pflichtdienstes wird nur, knapp 10 Jahre später, erneut über ein solches Modell diskutiert.

Schon seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 wird in Deutschland über die Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht diskutiert. In der vergangenen Woche äußerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der „BILD am Sonntag“ und sprach sich für die Einführung einer Pflichtzeit für junge Menschen im sozialen Bereich aus. Er begründete seine Forderung damit, dass es „gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt“, wichtig sei, den eigenen Horizont zu erweitern und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen.

Leider verknüpft aus Sicht der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein der Bundespräsident die inhaltlich richtigen Ziele wie Horizonterweiterung und Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebensentwürfen mit dem falschen Instrument, einem allgemeinen Pflichtdienst. In der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein werden seit vielen Jahren Freiwillige aus der ganzen Welt eingesetzt. „Wir sprechen uns gegen einen solchen Pflichtdienst für alle Jugendlichen aus, weil es einen erheblichen Eingriff in die individuelle Lebensgestaltung eines jeden jungen Menschen bedeuten würde, sagt Geschäftsführerin Christine Reich. Viel wichtiger sei es, „das Engagement der unzähligen Freiwilligen im sozialen, politischen, ökologischen oder auch im kulturellen und sportlichen Bereich zu fördern und angemessen zu entlohnen“, führt sie weiter aus. Angebracht wären z.B. die Erhöhung des Taschengeldes, ein kostenloses ÖPNV-Ticket sowie eine stärkere Anerkennung des Freiwilligendienstes bei der Vergabe von Studienplätzen und bei der Berufsausbildung.

Auch Daniela Broda, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings vertritt diese Position. Im Gespräch mit dem Jugendradio „Deutschlandfunk Nova“ forderte sie, dass die freiwilligen Angebote weiter ausgebaut werden und dass das freiwillige Engagement der Jugendlichen mehr wertgeschätzt wird.

„Der Freiwilligendienst muss eine freiwillige Entscheidung bleiben“, fordert Tim Scholz, pädagogischer Leiter der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein. „Niemandem ist geholfen, wenn in Zukunft die Lücken in unterbesetzten Bereichen, wie etwa in der Pflege oder in der Kinderbetreuung, mit einem Pflichtdienst aufgefüllt werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dem anhaltenden Fachkräftemangel in diesen Bereichen nur mit einer fairen Bezahlung und einer umfassenden, strukturellen Aufwertung und Anerkennung begegnet werden kann“, sagt er weiter.

Doch was sagen eigentlich die Freiwilligen zu der aktuell stattfindenden Debatte? Ugnė, eine der diesjährigen Freiwilligen in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein sagt: „Gerade jetzt, nach über zwei Jahren Corona-Pandemie und den vielen Einschränkungen, tut es gut, selbstbestimmt zu entscheiden, welchen Weg ich gehen möchte. Die Arbeit hier ist für mich wie ein Freiraum, in dem ich mich entfalten kann und meine eigenen Ideen verwirklichen kann. Für meine berufliche Orientierung ist dieser Freiwilligendienst eine echte Chance, um herauszufinden, was ich später einmal machen möchte.“ Sie kann sich allerdings nicht vorstellen, wie ein solcher Dienst funktionieren soll, wenn alle Jugendlichen dazu verpflichtet wären. „Wäre es nicht viel wichtiger, die zu erreichen, die sich bisher nicht engagagiert haben? Ich glaube nicht, dass Zwang und Verpflichtung hier der richtige Ansatz sind. Die Gesellschaft sollte sich andere Wege überlegen, den Dienst attraktiver und bekannter zu machen“, sagt die Freiwillige Ugnė.

Das Angebot steht allen jungen Menschen bis zum Alter von 27 Jahren offen, unabhängig von Geschlecht, Schulabschluss, Herkunft oder Einkommenslage. Außerdem gibt es den Bundesfreiwilligendienst als Angebot für Menschen jeden Alters. Auch die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e.V. sucht zum 1. September 2022 wieder Freiwillige für ein Ökologisches oder ein Soziales Jahr. Weitere Informationen finden Interessierte unter unseren aktuellen Stellenangeboten.

Anfragen an:

Emanuel Neumann

Referent für Presse- / Öffentlichkeitsarbeit

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