Internationale Winterschule 2012/2013
130 Jugendliche aus Europa und Nahost haben sich über Silvester 2012/2013 für eine Woche in der Jugendbildungsstätte getroffen, um die Überwindung von Ausgrenzung und Ungleichheit zu diskutieren, und dabei viel voneinander gelernt.
For an english version of this article click here.
Fünf mal Silvester feiern – das geht nur bei der „Internationalen Winterschule“ in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein. Denn das Neue Jahr wurde jeweils zur Ortszeit des Herkunftslands der Teilnehmenden begrüßt – und es waren immerhin 20 Länder, die von Georgien bis Irland reichten, aus denen die 130 Anwesenden angereist waren. Gemeinsam haben die 18- bis 27-jährigen eine intensive Woche vom 27.12.2012 bis zum 03.01.2013 verbracht, in der diskutiert und gearbeitet, aber natürlich auch gefeiert, gesungen und gelacht wurde. Dabei konnte das Gegenteil von dem gelebt werden, was inhaltlich im Mittelpunk der Winterschule stand: Ausgrenzung und Ungleichheit.
„Die Winterschule findet schon seit vielen Jahren in der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein statt und wird in Kooperation mit den Partnerorganisationen der Falken durchgeführt“, erläutert Bildungsreferent Tim Scholz. Die „Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken“ ist eine Jugendorganisation, die neben Ferienzeltlagern und Gruppenarbeit vor Ort auch regelmäßig Seminare mit politischen Inhalten anbietet, unter anderem in ihrer Bundesbildungsstätte in Werftpfuhl.
„In diesem Jahr war der Austausch untereinander besonders intensiv“, berichtet Finn Mc Carthy aus England, der schon zum dritten Mal an einer Winterschule teilnimmt. Mit Gästen aus 24 Schwesternorganisationen der „Falken“ war die Vielfalt außergewöhnlich groß. „Auch jenseits des Programms gab es super viele spannende Diskussionen, und es waren viele Leute zum ersten Mal dabei“, fügt Julia aus Österreich hinzu.
Auf dem Programm standen fünf Tage inhaltliche Arbeit. In neun verschiedenen Arbeitsgruppen wurde die Gesellschaft analysiert und die Realitäten in den jeweiligen Ländern miteinander verglichen. Mechanismen und Folgen von Ausgrenzung wurden unter die Lupe genommen und dabei insbesondere auf Intersektionalität geachtet, also darauf, wie durch die Kombination mehrerer Ausgrenzungsfaktoren wie Geschlecht, ethnische Herkunft oder Einkommen in der Gesellschaft Hierarchien geschaffen werden.
„Eine Erkenntnis aus den Arbeitsgruppen war es, dass sich das gegenwärtige kapitalistische System durch Ausgrenzung erhält“, berichtet Scholz: „Wer ausgegrenzt wird, neigt dazu, aus Angst um den eigenen Status wieder andere auszugrenzen, z.B. wenn sich ein Hartz-4-Empfänger über Migranten aufregt.“ Anstatt sich gegeneinander aufbringen zu lassen, gelte es, die Ausgegrenzten zu integrieren und gemeinsam für mehr Teilhabe zu kämpfen. „Damit müssen wir in unseren eigenen Organisationen anfangen“, so Scholz weiter, „indem wir uns öffnen und auch diejenigen Bevölkerungsgruppen ansprechen, die wir bisher nicht ausreichend erreichen.“ Wie das gelingen kann, konnte in der Winterschule an „Good Practice“-Beispielen aus einzelnen Ländern gezeigt werden.
Die Teilnehmenden nehmen die gewonnenen Erkenntnisse mit in ihre Heimat und werden zu Multiplikator_innen in ihren eigenen Organisationen, indem sie wiederum andere befähigen, sich gegen soziale Ausgrenzung und Ungleichheit einzusetzen. Auf diese Weise könne durch das „Schneeballprinzip“ überall Bewusstsein geschaffen und zum Handeln ermutigt werden, hofft Scholz, und die Gesellschaft durch Bildungsarbeit verändert werden.
Ein ganz besonderer gemeinsamer Lernprozess informeller Art fand zwischen den Teilnehmenden aus Israel und den palästinensischen Gebieten statt: Nicht nur jüdische und palästinensische Israelis, sondern auch Bewohner_innen der Westbank und des Gaza-Streifens konnten zur Winterschule nach Deutschland reisen. „Diese jungen Leute hätten sich anderenfalls nicht begegnen können,“ betont Scholz. Hier hätten sie miteinander über ihren Alltag, ihre Sorgen aber auch die politische Lage diskutiert und einander verstanden.
Dass auf einer Winterschule Austausch- und Verständigungsprozesse angestoßen werden, ist nicht neu: „Seit drei Jahren gibt es einen Kooperationsprozess zwischen jungen Leuten aus Russland und Georgien, die auch in diesem Jahr wieder bei uns waren“, berichtet Scholz. Daran zeigt sich, dass die auf einer Winterschule geknüpften Kontakte oft dauerhaft aufrechterhalten und intensiviert werden. Im Internet bleibt man unter anderem über eine durch die Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein moderierte Facebook-Seite in Kontakt, und persönlich sehen sich viele Teilnehmende später im Jahr oft wieder, wenn in der Bildungsstätte die nächsten internationalen Großveranstaltungen anstehen – spätestens bei der Sommerschule.
Hier der persönliche Bericht eines Teilnehmenden: "Mein Gespräch mit Jihad" - Ein Israeli berichtet von seiner Begegnung mit einer Palästinenserin auf der Winterschule